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Economy Class

Lukas Pusch

Von 6. bis 30. April findet in der Alliance Francaise in Nairobi die
Ausstellung  "Economy Class"  statt.
Organisatoren der spontanen Schau mit gut hundert zeitgenössischen
künstlerischen Positionen aus Österreich waren Barbara Husar, Michael
Lampert, Alexander Nikolic und ich.
Wie verstanden uns weder als klassische Kuratoren noch als
einheitliches Künstlerkollektiv. Die gesamte Organisation und
Vorbereitung der Ausstellung betrug lediglich 3 Wochen.
Wir wollten vielmehr die mitteleuropäische Kunstblase reproduzieren und
in Frage stellen.

Im gegenwärtigen Kulturbetrieb ist das Hier, Jetzt und Heute der
künstlerischen Avantgarde einer universellen Planbarkeit gewichen.
Contemporary art bedeutet heute Planwirtschaft.
Ausstellungen werden auf Jahre voraus konzipiert.
Die normierte Austauschbarkeit von Kunst und Künstler.
Kuratoren als Verwaltungsbeamte des neuen Geschmacks.
Economy class sollte den herkömmlichen institutionellen Kunstbetrieb
hinterfragen.

Eine Ausstellung als Performance.
Pauschaltouristen als Träger europäischer Kultur.
Eine spontane Plastik gegen einen eingefahrenen und träge gewordenen
Kunstbetrieb, der sich immer wieder selbst reproduziert.
Die einzige Vorgabe für die Teilnehmenden Künstler war die
Handgepäckstauglichkeit ihrer Arbeiten.
Wir flogen Economy Class und ohne Transportversicherung nach Kenia.
Nairobi.

Last Minute nach Afrika. Ein Kontinent ,  der in Europa nicht existiert.
Der kolonialen Ausbeutung folgte die imperiale Ignoranz.
Die Ausstellung Economy Class war der romantische Versuch ,  die
Nabelschau im Kunstbetrieb zu durchbrechen und gleichzeitig dessen
Reproduktion.
Uns interessierte die Kritik aus uns fremden Kulturzusammenhängen.
Keniatische Zeitungen und TV-Stationen berichteten von der Ausstellung.
Die Reaktionen auf die gezeigten Arbeiten waren gemischt.
Neben vielen positiven Stimmen waren einigen Besuchern die meisten
Arbeiten zu sexuell. 

Nach der Eröffnung gab es ein ziemlich dichtes Programm an öffentlichen
Diskussionsveranstaltungen und Vorträgen an den Kunstinstitutionen in
Nairobi ,   die in der Regel sehr gut besucht waren und bei denen sich
auch einige Kooperationen für die Zukunft ergaben.
Alexander Nikolic und ich gingen nach der Vernissage nach Mathare, dem
größten Slum von Nairobi mit rund 700 000 Einwohnern.
Nikolic, Hopkins, Mwelu und Otieno halfen mir, meine
Kunst-Performance zu realisieren,  bei der ich  in einem Weißen Smoking
drei Tage durch den mit Scheiße,  Menschen- und  Rattenkadavern,
Leichen und von Ungeziefer übersäten Aids-Kranken durchtränkten Morast
Mathares zog.  Der weiße Mann auf Inspektion in seiner kolonialen
Hinterlassenschaft.

Schulklassen sprangen auf und sangen “Welcome ³ und “Thank you for
visiting our class³  ,  als sie mich im weißen Smoking sahen. Ich
verteilte Bonbons und ließ mir vom Schuldirektor die nassen und
fensterlosen Schulräume zeigen.
Wir besuchten illegale Dschanga-Brauer am Nairobi River  ,  deren
schnapsähnliches Gesöff oft die einzige Einnahmequelle in den Slums ist
und bei häufigem Konsum zur Erblindung führt.
Die Performance mit meinem weißen Smoking war Teil meiner Vienna Voodoo
Serie und wird auch als eigene  Foto Edition herausgebracht.
Ich wollte damit zwei Welten auf einem Bild vereinen.
Die Perspektiven wechseln.
Kapitalistischer Realismus.
Jene Realitäten vereinen,  die sonst durch Grenzzäune und Sperranlagen
getrennt sind.

Die Bewohner im Slum freuten sich ,  wenn sie mich im Anzug sahen.
Sie waren nicht schockiert.
Im Gegenteil,  ich symbolisierte für sie Normalität.
In ihrer Realität ist jeder Weiße reich.
Für sie war der schöne Anzug eher Ausdruck des Respekts als der
Provokation.
Unser Blick auf Afrika ist maximal ein mitleidiger.
Hungernde Kinder.
Krieg.
Aids.
Wir kommen darin nicht vor und wenn als Samariter , 
Humanitäre Hilfstruppen oder Ärzte ohne Grenzen.
Sozialarbeiter.

Julius Mwelu und Fred Otieno leben im Slum. Sie sind dort aufgewachsen.
Sie arbeiten als Filmer und Fotografen, dokumentieren das Leben und
Sterben im Slum.
Sie schreiben eine Geschichte des Slums.
Eine Geschichte,  die sonnst niemand schreibt.
Gemeinsam mit Nikolic dokumentierten sie meine Slum-Performance. 
Was als “Making of Vienna Voodoo³ begann,  entwickelte sich mit
zahlreichen Interviews zu einer kleinen Dokumentation über Probleme und
Perspektiven in Mathare und einem ersten gemeinsamen Test für unser
nächstes Projekt: Slum TV.  
Das Startkapital für den Slumsender wird aus dem Verkauf der
Foto-Editionen kommen

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 forward_ - 256607.1 "Slum TV"

 (Nairobi / 2006)

 Alexander Nikolic / Lukas Pusch

 Schnitt: Christoffer Koller


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SlumTV_military - 260223.1

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project:

ECONOMY CLASS

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