Zielgruppe: 30 Fachhochschüler der Vertiefungsrichtung Wissensmanagement im 6. Semster, im Rahmen eines 1 SWS Softskills Workshop Persönliche Netzwerke, Networking.
Organisation der Lehrveranstaltung: Das hier beschriebene Lexikonspiel war eine von zwei Aufgabenstellungen, die via Internetplattform über mehrere Wochen hinweg schrittweise abzuliefern waren. Dadurch entstand die typische blended learning Situation von Präsenz-Online-Präsenz-Online-Präsenzphase.
Spielanleitung des ursprünglichen Spiels Lexikon Beim Spiel Lexikon geht es vor allem darum, die anderen Mitspieler der Runde durch gute Formulierung zu täuschen. Man sucht aus einem Lexikon einen Begriff, den niemand kennt. Jeder schreibt nun eine im Lexikonstil gehaltene Pseudoerklärung auf einen Zettel. Allein der Moderator kennt die richtige Erklärung und mischt sie unter den Haufen der falschen. Auf zwei Arten kann man bei dem Spiel gewinnen: entweder es gelingt einem, möglichst viele Mitspieler mit der eigenen Erklärung zu bluffen; oder man kann den Bluff der anderen Mitspieler aufdecken.
Adaptionen für eine kollaborative e-learning Anordung: Statt des Lexikons verteilte ich eine Literaturliste mit qualitativ hochwertigen Publikationen passend zum Workshopthema Persönliche Netzwerke an die StudentInnen. Wir spielten nicht im Klassenraum von Angesicht zu Angesicht, sondern auf einer Internetplattform, zeitversetzt über mehrere Wochen hinweg.
Schritt 1 Selektion & Wissensverdichtung: Jeder sollte nach eigener Interessenslage aus den vorgegebenen Büchern Aussagen, Thesen und Theorien heraussuchen, die ihm besonderes relevant für die momentane Lebenssituation erschienen. Vier solcher Aussagen sollte jeder in eigener Sprache, möglichst ohne Fachausdrücke, formulieren und auf die Plattform stellen. Eine der vier Aussagen sollte aber gefälscht sein, d.h. in ihrer wesentlichen Kernaussage nicht dem entsprechen, was der jeweilige Autor tatsächlich von sich gegeben hatte. Dies sollte auch durch eine einfache Internetrecherche überpüfbar sein.
Schritt 2 Einschätzung von Relevanz und Plausibilität: Die StudentInnen sollten versuchen, sich gegenseitig aufzudecken, bzw. auch die ihrer Meinung nach richtigen Aussagen zu identifizieren.
Schritt 3 Offenlegung: Die Studenten sollten nun ihr faules Ei offen legen. Danach sollte jeder für sich feststellen, wie oft er/sie beim bluffen ertappt wurde bzw. vom Bluff eines anderen getäuscht wurde. Weiters sollte jeder nach Möglichkeit den Internetlink bekanntgeben, mit dem die Täuschung einfach zu entlarven gewesen wäre.
Thesen, Erfahrungen, offene Fragen Ich möchte behaupten, daß... 1.man keine eigene Spielesoftware entwickeln muß, um Game Based Learning-Prozesse zu initiieren.
2.grundsätzlich alle kollaborativen e-learning Anordungen bereits das spielerische Element in sich bergen und geeignet sind, intrinsisch motiviertes Lernen in der Gruppe zu fördern.
3.sich dieses Lexikonspiel auf andere Themenbereiche und in andere Organisationsformen (z.B. Unternehmen) beliebig übertragen läßt.
4.sich dieses Lexikonspiel besonders gut eignet, um im Vorfeld einer wissensschaftlichen Arbeit (Diplomarbeit in diesem Fall) den Gebrauch von Sprache kritisch zu beleuchten.
Ich habe bemerkt, daß... 1.die Google-Generation kein klassisches Bibliotheksverhalten mehr hat. Wenn sich Literatur nicht im Netz befindet, ist das oftmals eine Barriere, die nicht überwunden wird.
2.Studenten bei solchen Spielen freiwillig viel mehr Zeit verwenden, als vorgeschrieben ist und sich interessanterweise in Nachhinein oft darüber aufregen.
Ich möchte zur Diskussion stellen, ob 1.es sich bei einer Lehrveranstaltung, die am Schluß auch beurteilt wird, jemals um echtes Spielen handeln kann.
2.es nicht auch zu den guten Evaluierungen durch die Studenten kommt, weil es was neues ist, und sich der tolle Lerneffekt rasch abnützt, wenn plötzlich in mehreren LVs parallel solche Spiele zum Einsatz kommen.
Feedback der Studenten Die Evaluierung der Lehrveranstaltung erbrachte die erwarteten, überdurchschnittlich hohen Werte, die ich in den letzten Jahren immer dann erhielt, sobald ich kollaborative e-learning Elemente in den Unterricht einbaute. Ich befragte nun einige Studenten konkreter über das Lexikonspiel, und neben vielen positiven Rückmeldungen möchte ich besonders auch einige der kritischeren Aussagen der Studenten zur Diskussion stellen, z.B.:
A: Als Spiel würde ich es nicht bezeichnen, da man immer die Frage im Hinterkopf hatte, ob man nicht eine schlechtere Beurteilung bekommt, wenn man andere nicht täuscht oder Täuschungen nicht erkennt. Ein Nachteil war auch, daß man vieles nicht im Internet finden konnte.
B: Einerseits hat es einen spielerischen Charakter, andererseits merkt man sich viel mehr als bei normalen Methoden. Ich weiss beispielsweise jetzt noch immer, welchen Fehler ich aufgedckt habe bzw. worauf ich bei meinen Ausführungen durch geschätzten Kollegen [...] aufmerksam gemacht wurde. Und es ist schon lange her.... Also, vielleicht eine "spielend" zu erledigende Hausübung...?
C: Ja, ich halte es [das Spielen im Rahmen von Lehrveranstaltungen] für möglich, aber nur durch Herabsetzung des intellektuellen Ehrgeizsyndroms.
D: Sie (die Übung) hat mir nicht Spaß gemacht. Es kam nur darauf an, sie möglichst kompliziert zu formulieren, um den Studienkollegen jede Chance zu nehmen sie zu verstehen. [...] Das ist aber keine Herausforderung.... [...] Diese Aufgabe könnte als Spiel bezeichnet werden, da das Ziel darauf abziehlt, die anderen zu täuschen. Diese Absicht findet sich sicher oft in Spielen.
Mir hat diese Aufgabe vor Augen geführt, dass die Formulierung von Aussagen, nichts, aber rein gar nichts, mit der Qualität bzw. dem Wahrheitsgehalt dieser zu tun hat. Diese Einsicht aus einem Spiel zu gewinnen ist schon recht lehrreich, find ich. Somit könnte es sich hierbei um ein Spiel mit starkem Realitätsbezug halten.
Referentin:
Mag. Lotte Krisper-Ullyett, lotte.krisper-ullyett@factline.com, Mitbegründerin von factline GmbH, Wien, www.factline.com. Seit 2001 externe Lehrbeauftragte an der FH-Burgenland, Studiengang Informationsberufe.